Freitag, 1. März 2013

Der Countdown läuft - Bulgarien, wir kommen

Monate langer Vorbereitung sollen sich nun, in ein wenig mehr als 24 Stunden ab dem zweiten März auszahlen. Morgen um neun Uhr werden wir unsere Reise nach Plovdiv antreten. Verabschieden darf man sich also morgen offiziell am Magdeburger Hauptbahnhof, wo unsere einwöchige Reise starten wird. Ein bisschen aufgeregt sind wir sicher alle, aber das will niemand zugeben. Aber wer sind "wir" denn eigentlich? Sind wir eine Gruppierung der Bandidos, die in Bulgarien eine große Fete schmeißen will?

Kurz und knackig: Nein, die sind wir nicht. 

In den folgenden Zeilen möchte ich unser Team deswegen einmal genauer vorstellen.


Das - sind wir: Freundliche, engagierte, gebildete, hochtalentierte, interessierte, wissbegierige und vor allem bescheidene Schüler des Kurfürst-Joachim-Friedrich-Gymnasiums



















Das ist Ines. Sie ist die offizielle Projektleiterin zusammen mit Romy, inoffiziell ist sie unsere, stets überpünktliche Freundin. Sie als Mitarbeiteren von GoEurope hat uns erwählt, beim Jugendaustausch in Plovdiv mitzuwirken - als einzige deutschsprachige Gruppe bei diesem Youth-Exchange. 
Ines ist aber nicht nur eine Freundin, sondern auch Organisatorin. Obwohl sie nebenbei auch noch ein anstrengendes Studentenleben zu führen und zu verwalten hat, gibt sie sich größte Mühe, den Austausch so gut wie möglich vorzubereiten.





Hier sieht man (u.a.) Romana, wir nennen sie nur Romy. Auch Sie ist Studentin und plagt sich wohl ganz schön mit uns ab, aber sie macht es mit Stil. Aus irgendeinem Grund fotoscheu (ich habe kein einziges Foto gefunden, wo sie vollständig abgebildet ist, außer dieses!!!) ist sie doch ein erheblich wichtiger Teil unserer kleinen Gemeinschaft, denn genau wie Ines ist auch sie Projektleiterin, außerdem ehemalige Schülerin des KJF-Gymnasiums. Man muss außerdem erwähnen, dass sie unsere "Reiseführerin" während dem Aufenthalt in Bulgarien sein wird - ob mit oder ohne Regenschirm erfahren wir dann vor Ort.







Hier ist ebenfalls eine Organisatorin unserer Gruppe zu erkennen - Frau Franke, die übrigens bis vor kurzem noch Frau Kirschnick hieß. Unter anderem als Geschichts- und Sozialkundelehrerin, aber auch als Leiterin des Debattierclubs unseres Gymnasiums plant auch sie fleißig, zusammen mit Ines und Romy, am Austausch mit. Zwar führt sie kein Studentenleben, steckt aber dafür voll im Lehrerstress. Und trotzdem nimmt sie sich die Zeit für einen derartig anspruchsvollen Ausflug. Außerdem ist sie wohl eine der kleinsten Mitglieder der Gruppe, was ihre Authorität aber in keinem Bereich je schmälern konnte. Auch durch ihre geballte Kraft konnte der Austausch erst ermöglicht werden. Nicht zu vergessen ist natürlich auch, dass Frau Franke Verantwortliche für die deutsche Bratwurst ist.




Und nun zu den Plagen - der jüngeren Generation

Das hier, das ist Lena. Sie geht in die elfte Klasse des Gymnasiums und ihre Lieblings-beschäftigung ist augenscheinlich das Lachen. Liiert ist sie nicht ist sie eigentlich nicht. Wenn sie nicht gerade quatscht, ist sie ein wertvolles Mitglied unseres Kreises. Als gute Moderatorin und Interviewerin erwies sie sich vor allem im Zeitzeugengespräch. Nicht zu vergessen ist außerdem ihre Arbeit an der Übersetzung der Videos, die in Plovdiv präsentiert werden sollen. In Gruppenarbeiten zeigt sie zumeist nach anfänglicher Zurückhaltung, welche Power eigentlich in ihr steckt. Dies, und ihre leckeren Cookies macht sie sehr nützlich für unsere Unternehmung.





Die, die hier so hämisch grinst, ist auch als Jolina bekannt. Auch sie engagiert sich prächtig beim Projekt, so dient sie uns vor allem auch als Kontaktmann - zu ihrem Vater. Denn dieser sorgt dafür, dass wir nach der Woche in Bulgarien auch wieder heile nachhause kommen. Beschäftigen tut sich Jolina hauptsächlich mit Handy-Spielen wie Pou, auch dort ist sie sehr engagiert, hat schon verschiedene Hintergründe und Kleidungsstücke freigeschaltet, die sie uns ,so oft sie kann, präsentiert. Jolinchen stellt ein wichtiges Glied der ganzen Kette dar, u.a. auch als Interviewerin im Zeitzeugen-gespräch. Sichtlich freut sie sich, wie alle anderen, auf die Reise.




Und hier sehen wir Rebecca. Genau wie sie auch erfolgreich im Debattierclub ist, versucht sie beim Jugendaustausch größtmögliche Effektivität zu erreichen. Ihr Engagement und ihre Natürlichkeit demonstriert sie durchgehend, wie hier auf diesem Bild zu sehen ist. In Diskussionen zeigt sie sich sehr sarkastisch und aggressiv gegenüber den anderen Mitgliedern der Runde, was sie dann durch ein freundliches Lächeln, wie wir es hier sehen, wettzumachen versucht. Als wir eine Moderatorin für das Zeitzeugen- gespräch suchten, wurde aus allen Richtungen sofort ihr Name gerufen - Ein Zeichen dafür, dass sie wohl eine gute Rednerin sein musste. Das zeigte sie dann natürlich auch in den verschiedenen Workshops, bei der ihre fachliche Meinung eine nicht unwesentliche Rolle einnahm. 





Das ist Hannah, unsere Jüngste, denn sie ist erst 13 14 Jahre alt und geht in die neunte Klasse. Zu ihren Beschäftigungen gehört anscheinend alles, bloß nicht das Lesen von E-Mails, woran wir unbedingt noch arbeiten müssen. Ansonsten kann man sich eigentlich nicht über sie beklagen. Beim Schulfest "Vielfalt statt Einfalt" hielt sie u.a. die Eröffnungsrede, ein Grund dafür, dass auch sie unverzichtbar für die Unternehmung ist. Das ist doppeldeutig, denn einerseits ist eine Redebegabung nicht unnütz, wenn es um einen Jugendaustausch geht, zum anderen interessiert sie sich brennend für das Thema Menschenrechte, weshalb sie sich auch für das Schulfest von "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" einsetzte.





Und hier unsere letze weibliche Person im Bunde - Jenny. Gleichzeitig ist sie auch die älteste Schülerin von uns, geht in die zwölfte Klasse. Bei ihr treffen Erfahrung und Interesse aufeinander, eine gute Mischung. Bei den Zeitzeugen- gesprächen hatte sie eine der wichtigsten Rollen, nämlich die des Kameramanns bzw. der Kamerafrau. Ihre Aufnahmen wurden später dafür benutzt, ein Video für die Präsentation unserer insgesamt zwei Filme zu schneiden. Auch ihre Englisch-Kenntnisse sind erwähnenswert, diese nutzte sie auch bei der Erstellung der Untertitel für die Videos. Selbige Kenntnisse werden uns wohl auch in Bulgarien von Nutzen sein, da wir uns dort wahrscheinlich auf die englische Sprache beschränken müssen.




In der Mitte sehen wir Neele. Sie fährt zwar nicht mit nach Bulgarien, ist aber dennoch eine willkommene Hilfe, was beispielsweise Workshops angeht. Sie war ebenfalls bei den Zeitzeugengesprächen beteiligt. Zusammen mit Jolina dressieren sie ihre Pou's. Aber auch wertvolle Beiträge von Neele sind immer eine Bereicherung. Würde sie mit nach Bulgarien reisen, wäre sie dort unsere Musikantin. Neele ist nämlich auch Mitglied der Schulband des Kurfürst-Joachim-Friedrich-Gymnasiums "WOOK", wobei das 'W' für Neeles Nachnamen "Wolff" steht. Trotzdem hoffen wir natürlich auf ihre geistige Unterstützung während des Austauschs.



Kommen wir nun zu unserer ersten männlichen Persönlichkeit dieses Eintrages: Tobias. Seine Wortgewandtheit ist zum einen ein Grund dafür, dass er mit uns nach Bulgarien fliegt, zum anderen Grund für zahlreiche Lacher, von denen er sich, so hitzig die Debatte auch ist, nicht beeindrucken lässt. Diese Wortgewandtheit wurde nicht nur im Debattierclub mehrfach positiv anerkannt. Nein, auch als Moderator beim Treffen mit den beiden Zeitzeugen erwies diese sich als sehr nützlich. Beim Workshop über die Bombardierung Magdeburgs im 2. Weltkrieg wusste er ebenfalls genaustens Bescheid, da er sich beispielsweise in seiner Facharbeit mit einem ähnlichen Thema beschäftigt hat.





Das hier, das ist Lukas. Die elfte Klasse besuchend ist er u.a. auch als Mitglied der Schülerfirma SPITworX des Gymnasiums, mit der er als einer der Organisatoren schon große Erfolge feiern konnte, technisch gut ausgebildet. Auch er ist Debattant, was man hier schon sehr gut an seiner Gestik erkennen kann. Das Diskutieren gehört zu seinen Stärken, oftmals basiert auf Fachwissen. Es ist bekannt, dass sich das Sitzen neben Lukas vor allem auszahlt, wenn man Aufgaben zu erledigen hat, bei denen man gelegentlich mal auf das Blatt des Nachbarn schielen kann. Auch seine kritische, skeptische Seite wird uns in Bulgarien höchstwahrscheinlich helfen. Das macht ihn zu einem wichtigen Glied der Kette.






Und der hier, der heißt Felix. Man könnte meinen, er ist verdammt scheu, da er ebenfalls auf keinem anderen Bild zu sehen ist. Aber nein, da war ja etwas: Felix macht die Bilder, alle die, die auf diesem Blog zu finden sind und noch mehr. Aber er ist nicht nur unser offizieller Fotograph, nein. Felix hat genau wie Jenny eines der Zeitzeugengespräche aufgenommen, geschnitten und mit Untertiteln versehen - ziemlich viel Arbeit für einen Schüler der zehnten Klasse. Aber natürlich bleibt seine Arbeit nicht unbelohnt. Lena und er sind sozusagen das Ehepaar der Reise, versorgen uns stets mit Lachern aller Art, wenn sie sich einmal uneinig sind. Stets nobel angezogen ist die Hölle los, wenn Felix da ist. Er erzählt und erzählt, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, das manchmal auch ein anderer gerade etwas sagen wollte. Aber was könnte diesen Redefluss stoppen??



















Kommen wir nun zum letzten  Mitreisenden: Meiner Wenigkeit, Paul. Ich stelle den Womanizer der Gruppe dar, wie man auf dem rechten Bild erkennen kann. Aber nein, lasst uns ernst bleiben. Ich bin vor allem für die Öffentlich keitsarbeit zuständig. Ange-sprochen von Frau Franke, ob ich denn Lust hätte, mit nach Bulgarien zu fliegen, habe ich mich dem Projekt angeschlossen. Nun besteht meine Aufgabe darin, den Blog auf dem Laufenden zu halten, Artikel zu schreiben, den Workshop für den englischen Blog in Bulgarien zu leiten und die Treffen zu protokollieren. Das hört sich zwar nach einer Menge Zeug an, dafür besitze ich nicht die Sprachgewandtheit, die den Rest der Gruppe auszeichnet. 

Ich finde, dass wir zusammen die ultimative Truppe für den Jugendaustausch sind: Energisch, flexibel, lernfähig und vor allem eines: interessiert. Und um diesen Satz nach dem Austausch nicht als Lüge enttarnen zu müssen, werden wir auch alles daran setzen, aus dem Exchange einen großen Erfolg zu machen.



Montag, 18. Februar 2013

"Der Himmel brannte über Magdeburg"

Wieder einmal hieß es „Weiterbildung“ für uns, denn der Austausch rückt näher und näher. In wenigen Wochen schon sitzen wir im Flieger nach Bulgarien und so ein Ausflug muss geplant und vorbereitet werden. Ein weiterer, wichtiger Teil dieser Vorbereitungen war das Treffen am 13. Februar mit den Studenten Elias und Nadja, die stellvertretend für Zeitreise Magdeburg und GoEurope den Workshop leiteten. Die Mitglieder der „Zeitreise“ kannten sich in der Thematik gut aus, da sie sich sozusagen beruflich damit beschäftigten. Das ist ein Grund für den Erfolg des Workshops gewesen.



Pünktlich um 15:15 Uhr begann der Workshop im „Hauptquartier“ von GoEurope in der Liebigstraße in Magdeburg. Begonnen wurde mit einer einfachen Begriffserklärung vom Schwerpunkt des Treffens, dem Nationalsozialismus. Als Jenny nach kurzer Zeit den ersten Beitrag leistete, kam auch der Rest unserer Gruppe ins Reden. Nach ungefähr fünf bis zehn Minuten hatten wir unser Brainstorming über den Nationalsozialismus und Nationalsozialismus in Magdeburg auf einem Plakat zusammengefasst, ergänzt durch einzelne Beiträge von Elias, der die Runde so gesagt leitete. 


Student und Workshopleiter Elias erklärte uns zwischenteitlich anhand von
Zeitungen und Bildern der damaligen Zeit Details zur ehemals von Nazis
beherrschten Stadt Magdeburg
Vor allem Bilder wurden als Informationsquelle genutzt
Intensiver wurden die Diskussionen mit der Gruppenarbeit, die die gesamte restliche Zeit unseres Workshops beanspruchen sollte. Es gab drei Themen, die auf drei Gruppen, die wir selbst bildeten, verteilt wurden. Eine Gruppe widmete sich der ersten Thematik „Eine rote Stadt wird braun“, also der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Magdeburg 1933. „Unerwünscht – Verfolgt – Ermordet“ hieß die Überschrift des zweiten Themas, das sich vor allem mit den Opfern des Nationalsozialismus beschäftigte. Der schlussendliche Zusammenbruch des NS-Regimes in Magdeburg sollte mit dem Thema „Der Himmel brennt über Magdeburg“ zusammengefasst und erforscht werden. Zur Verfügung standen jeder Gruppe ein großes Blatt Papier und ein paar Stifte, mit denen wir unsere Recherchen, hauptsächlich aus Büchern, die die beiden Studenten bereitstellten, in Worte fassen sollten. So gab es zu jedem Themenbereich viele Werke, aus denen wir uns an Informationen bedienen konnten, beispielsweise das gleichnamige Buch für die Gruppe, die an der dritten Aufgabe arbeitete.



Unterteilt wurde in mehrere Gruppen, die sich
verschiedenen Arbeitsaufträgen widmeten
Wir erfuhren viel von der „Machtergreifung“ der Nazis bis hin zur Bombardierung Magdeburgs durch englische Bomber. Gegenseitig brachten wir uns die gewonnenen Erkenntnisse nahe und gingen, ebenso wie bei jedem Male, mit dem Wissen, dass wir einem erfolgreichen Youth Exchange einen Schritt näher gekommen waren, nach einer freundlichen Verabschiedung von den Organisatoren des Workshops nachhause.

Amnesty International: Zu Besuch in unserem Gymnasium



Am Donnerstag, dem 31. Januar, fanden einmal mehr Diskussionen über Grund- und Menschenrechte im Kurfürst-Joachim-Friedrich-Gymnasium statt. Zu Besuch waren dieses Mal keine Zeitzeugen, sondern ehrenamtliche Mitglieder der seit seit 1961 existierenden Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“.


Eröffnungsrunde des Treffens
Tiefgründige Diskussionen sorgten während des Workshops
 oft für Abwechselung
Daniel Schmiedl (35) und Jessica Holfter (23) sind Mitglieder der Lokalgruppe dieser Organisation in Magdeburg, die dort seit 2003 existiert. Zusammen führten sie uns durch ihr anspruchsvolles Programm, welches insgesamt ungefähr zwei Stunden in Anspruch nahm. Doch diese zwei Stunden waren, wie wir finden, sehr lehr- und hilfreich für uns. Zuerst ging es um grundlegende Dinge. Die Menschenrechte im Allgemeinen, die Menschenrechtslage in Europa, dies und viele weitere Informationen vermittelten uns die Mitglieder von Amnesty International mithilfe von reichlich Arbeitsmaterial. Die eben gewonnenen Kenntnisse mussten natürlich auch gleich im Anschluss abgefragt werden und so kam es, dass wir uns erst einmal einem Arbeitsblatt widmeten, welches wir nach circa zehn Minuten der Partnerarbeit gemeinsam verglichen. Die Stimmung zwischen den beiden Organisatoren und den Jugendlichen war dabei alles andere als angespannt, meist themenbezogene Diskussionen sorgten auch zwischendurch immer einmal für Interesse.

Arbeit anhand von Anschauungs- und Arbeitsmaterial


Nachdem die allgemeinen Informationen also abgehakt waren, widmeten wir uns einem Thema, das für uns wohl die größte Wichtigkeit des Treffens darstellte, nämlich der Menschenrechtslage in Bulgarien. Der Übergang zu diesem Thema erfolgte auf eine, wie man meinen könnte, sehr emotionale Art und Weise. Uns wurde ein sehr bewegendes, aber auch bedenkliches Bild gezeigt, was auch uns nicht kalt ließ.

Roma, denen offensichtlich gerade ihr Zuhause genommen wird

Auf dem Bild sieht man Roma, denen augenscheinlich durch andere Menschen ihr Zuhause genommen wird. Doch das Bild war nicht nur zum darüber Nachdenken gewählt worden, auch versuchten wir, die Hintergründe und den Anlass für diese höchst dramatische Szene zu ergründen, was uns auch gelang, soweit es möglich war. Im Anschluss wurden wieder Gruppen gebildet und ein Text ausgeteilt. Schüler von der neunten bis zehnten Klasse widmeten sich der Erläuterung der Situation in Bulgarien, Schüler ab der elften Klasse sollten sich mit der Einordnung dieser Situation in europäischen Kontext und in die europäische Menschenrechtslage befassen, der ausgeteilte Text diente dabei als Informationsquelle.

Gruppen- und Partnerarbeiten für größere Effizienz


Nachdem die Ergebnisse verglichen und über die Menschenrechtslage in Bulgarien diskutiert wurde, verabschiedeten sich die Mitglieder von Amnesty International bei den Mädchen und Jungen, die mit wertvollen Erfahrungen in die wohlverdienten Ferien starten konnten.

Dienstag, 29. Januar 2013

Zeitzeugengespräche - Jugend diskutiert über die Vergangenheit

Als die Zeitzeugen aus der Gedenkstätte Moritzplatz am Kurfürst-Joachim-Friedrich-Gymnasium auftauchen, ist es 14:45 Uhr. Der neunte Januar ist genau wie alle anderen Januartage bisher kalt und verschneit. Die warme und entspannte Atmosphäre im Raum scheint nicht nur uns die Aufregung über das bevorstehende Interview zu nehmen.


Das Zeitzeugeninterview ist aber nur ein Teil eines größeren Projektes. Ines Neumann und Romana Myslitzka, die ehrenamtlich für GoEurope tätig sind, haben dieses Projekt ins Leben gerufen. Vom 02. bis 07. März dieses Jahres soll in Bulgarien ein Austausch, ein „Youth Exchange“ stattfinden. Dabei treffen sich jeweils zehn Schüler aus Bulgarien und Lettland, sowie die insgesamt neun Schüler des Wolmirstedter Gymnasiums, um gemeinsam über die entweder gegebenen oder eben nicht gegebenen Freiheiten „damals“ zu diskutieren und neue Erfahrungen zu machen. Die Zeitzeugenbefragung dient dazu, bei diesem Austausch Material vorzeigen zu können, um so effektiv über die Zustände in Deutschland in der Nachkriegszeit informieren zu können. Frau Franke, eine Lehrerin am Kurfürst-Joachim-Friedrich-Gymnasium und Leiterin des Debattierclubs, der den Großteil der mitwirkenden Schüler ausmacht, koordiniert und organisiert den Austausch, zusammen mit den beiden Studentinnen von GoEurope.


Eröffnung und Vorstellung der Anwesenden


Nachdem sich die zwei Zeitzeugen und drei Verantwortlichen der Gedenkstätte Moritzplatz bei kurzem Kaffee-Klatsch schon ein wenig mit den Schülern bekannt gemacht hatten, begrüßte Frau Franke die Anwesenden offiziell. Nun waren Frau Neumann und Frau Myslitzka an der Reihe. Sie stellten zuerst sich selbst und danach das Projekt im Ganzen vor. Aber natürlich durften auch die Jugendlichen und Zeitzeugen nicht fehlen. Zunächst stellte sich jeder Schüler kurz vor. Sie erzählten unter anderem, was sie tun, wenn sie sich nicht gerade für solche Projekte engagieren oder wie sie dazu gekommen sind, bei dem Programm mitzuwirken. Die Zeitzeugen stellten sich als Ralph-Peter Klingenberg und Escamillo Grünheid vor. Danach wurde die Gruppe auf zwei Räume aufgeteilt. So wurden die Zeitzeugen zeitgleich in verschiedenen Räumen, von den Schülern des Gymnasiums interviewt. 

Der Schwerpunkt der Interviews handelte von Freiheit und Menschenrechten. Die Zeitzeugen erzählten frei heraus, was ihnen damals, in der DDR, widerfahren ist.
Klingenberg beispielsweise, 1956 geboren, war Sohn von zwei Mitgliedern der Partei. Er lebte also in einem noblen Viertel, anders als seine Mitschüler. Trotzdem bildete sich bei ihm im Laufe der Jahre die Meinung heraus, dass das System zur damaligen Zeit nicht das war, wofür es immer ausgelegt wurde. Klingenberg war aber nicht gegen den Sozialismus in der DDR, er dachte lediglich, dass man ihn von innen heraus verändern könnte. Mit 14 Jahren wuchs sein Interesse an westlicher Musik, Kunst und Dichtung. Er ließ sich lange Haare wachsen, als Zeichen des Protestes und wurde Mitglied eines Jugendclubs. Doch Intellektuelle waren gefährlich. Als er mit zwei Freunden ein Flugblatt gestaltete, das das System der DDR kritisierte und hinterfragte, holte ihn die Kriminalpolizei am nächsten Morgen ab.

Flugblatt von Klingenberg

Danach befand er sich acht Monate in Untersuchungshaft und später in zahlreichen Gefängnissen, u.a. auch im Stasi-Knast Moritzplatz in Magdeburg. Grünheid, der in Erfurt geboren wurde und seine Kindheit auch im Westen verbrachte, zog erst später in den Osten. Er arbeitete später bei Kali-Salz Zielitz. Grünheid bekam als Jugendlicher, halb Erwachsener, Angebote, um beispielsweise Bürgermeister von Schwanebeck zu werden, doch dafür musste er den Kontakt zum Westen beenden, also auch zu seiner Mutter. Dadurch wurde sein Drang nach der Flucht aus der DDR verstärkt. Ein Schulfreund, der ihn schon in den Jahren zuvor immer besuchte und in den Westen zurückholen wollte, sollte also für ihn die Flucht vorbereiten. Doch die Flucht scheiterte, da die Stasi diesen Schulfreund bereits unter Beobachtung hatte. Er und seine Frau wurden von seinen zwei Kindern getrennt. Als die Stasi im Knast androhte, seine Frau das Kind in Haft gebären zu lassen, wenn er nicht seine Mitgefangen bespitzelte, musste er den „Vertrag“ annehmen.

Die Zeitzeugen erzählten noch viel detaillierter über ihre Schicksale, über die Verhältnisse in der DDR, über die Reisefreiheit, über den Knast. Wir können von Glück reden, dass diese Epoche vorüber ist. Heute ist so etwas für die meisten Menschen nur noch bedingt vorstellbar. Doch wir sollten uns auch mit der Vergangenheit beschäftigen und sie nicht ignorieren, zumal diese Verhältnisse zum Teil immer noch auf unserer Erdkugel vorkommen.


Gemütliche Runde und viele Notizen


Link zum Artikel der Volksstimme: Klick mich